Ethik-Charta des Bundes Deutscher Karneval e.V.
1. Dem Alltag ein Fest entgegensetzen
Fastnacht, Fasching und Karneval sind ein bedeutendes Traditionsgut und Teil
des gemeinsamen europäischen Kulturerbes. Nach wie vor fest im christlichen
Jahreslauf verankert, haben sie als Schwellenfest vor der österlichen
Fastenzeit eine klare zeitliche Begrenzung. Am Aschermittwoch ist definitiv
Schluss.
2. Frohsinn und Lachen verbreiten
Von seinem Rügerecht Gebrauch zu machen, gehört zum Rollenbild des
Narren. Humorvolle Kritik aus Narrenmund an den Narreteien des Alltags,
die auf das Konto mehr oder weniger prominenter Zeitgenossen gehen, ist
integraler Bestandteil von Fastnacht, Fasching und Karneval. Verletzende
Attacken auf Wehrlose, Hohnlachen von Mehrheiten über Minderheiten,
beißender Spott und Häme, Ironie und Sarkasmus, auch wenn sie zu Lachstürmen
im Publikum führen, sind hier fehl am Platz. Lachen auf Kosten
anderer hat am Ende immer einen schalen Nachgeschmack. Lachen miteinander
bleibt in bester Erinnerung.
3. Gemeinschaft und Mitmenschlichkeit stiften
Eine große Herausforderung für die Gegenwart und Zukunft von Fastnacht,
Fasching und Karneval stellt die Integration von Migranten ins Brauch- und
Festgeschehen dar.
4. Heimatliebe und Weltoffenheit fördern
Es ist ein großes Anliegen, die Stärkung der regionalen Besonderheiten zu
betonen. Dazu gehört auch die Beibehaltung des Dialektes in den Wortbeiträgen.
Fastnacht, Fasching und Karneval leben aus der Heimat und gewinnen
gleichzeitig daraus ihre Weltoffenheit. Dies sollten wir beachten. Es darf
jedoch nicht zu Versuchen kommen, Brauchtum von Landschaft zu Landschaft
zu übertragen. Es geht darum, die Fastnacht, den Fasching und den
Karneval auf traditions- und landschaftsgebundener Grundlage zu pflegen. Es
gilt, eigene Kräfte zu fördern, den Ortsbezug zu behalten und trotzdem
weltoffen zu sein.
5. Brauchtum und Medien
Eine ständige kritische Überprüfung und gegebenenfalls Neujustierung des
Verhältnisses der Vereine und Verbände zu den Medien, vor allem zum Leitmedium
Fernsehen, ist dringend angesagt. Bei sachgerechter Vermittlung
von Bräuchen über den Bildschirm wird kulturelle Breitenarbeit geleistet.
6. Werte und Grenzen respektieren
Auch und gerade in Fastnacht, Fasching und Karneval, die ein „Moratorium
des Alltags“ (Odo Marquard) sind, lautet das oberste Gebot „Die Würde des
Menschen ist unantastbar.“ Fastnacht, Fasching und Karneval dürfen niemandes
Gefühle verletzen. Das gilt in ganz besonderem Maße für den Umgang
mit religiösen Dingen. Ebenso wie die anderen Weltreligionen hat das Christentum
– als die prägende Kraft europäischer Kultur und als Rahmenbedingung
unseres Tuns zumal – Anspruch auf gebührenden Respekt. Wortwitz,
der vor religiösen Kontexten nicht Halt macht, gehört nicht in die Fastnacht,
den Fasching und den Karneval.
7. Traditionen bewahren und die Zukunft gestalten
Das Traditionsbewusstsein ist ein wesentlicher Motor und Stabilisator von
Fastnacht, Fasching und Karneval. Allerdings erfordert der richtige Umgang
mit Tradition viel Fingerspitzengefühl. Wer fundamentalistisch am Überkommenen
festhält und keinerlei behutsame Veränderungen zulässt, trägt zur
Versteinerung der Bräuche, zur Fossilisierung von Vergangenheit bei. Wer
andererseits überlieferte Rituale leichtfertig aufgibt und stattdessen auf Eventisierung
setzt, gibt bewährte Brauchformen der Beliebigkeit preis und riskiert
ihre völlige Auflösung. Um beide genannten Extreme zu vermeiden, gilt
es, das rechte Maß zwischen Tradition und Wandel, zwischen Statik und
Dynamik, zwischen Beharrung auf Altem und Offenheit für Neues zu finden.
8. Werte und Wissenschaft
Voraussetzung für den Erhalt des Wissens um den Wert und die Möglichkeiten
der Tradition von Fastnacht, Fasching und Karneval ist eine konsequente
Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, vor allem mit Volkskundlern, Historikern
und Soziologen. Weiterzuentwickeln sind auch die Konzepte der
Dokumentation und Präsentation von Fastnacht, Fasching und Karneval als
bedeutsames Kulturgut in einschlägigen lokalen, regionalen und überregionalen
Museen.
9. Anerkennung als Kulturgut
Ziel der Öffentlichkeitsarbeit der Vereine und Verbände muss es sowohl
während der Session oder Kampagne als auch das Jahr über sein, das
Bewusstsein um den Wert von Fastnacht, Fasching und Karneval als Kulturgut
und europäisches Erbe zu stärken. Diese Erkenntnis gilt es, möglichst
breiten Bevölkerungsschichten zu vermitteln und das entsprechende Wissen
in besonderer Weise bei den Entscheidungsträgern der Lokal-, Landes- und
Bundespolitik, vor allem aber auch bei den Repräsentanten der europäischen
Gremien zu fördern. Fastnacht, Fasching und Karneval dürfen nicht auf
Grund kulturhistorischer Kenntnislosigkeit an den Schaltstellen der Politik als
temporäre Spielräume für flache Blödeleien und anspruchslose Massenunterhaltung
missverstanden werden, sondern müssen als in der europäischen
Ideen- und Geistesgeschichte tief verankerte komplexe Kulturphänomene
und als Teil des kulturellen Gedächtnisses der abendländischen Welt, die
Wertschätzung gerade der Verantwortung tragenden Eliten genießen.
10. Heranführung der Jugend
Es ist zwingend erforderlich, das Kulturgut Karneval generationsübergreifend
zu behandeln. Dazu ist es notwendig, die Bindung der Jugend an das Brauchtum
in den Vereinen zu fördern. Das geht nur mit einem Angebot, das
jugendgerecht gestaltet ist. Wir müssen der Jugend die Möglichkeit geben,
Verantwortung zu übernehmen und sie nicht als Hilfskräfte für einen unwesentlichen
Teil unserer Arbeit sehen. Im Rahmen der außerschulischen Bildung,
der adäquaten Orientierung im sozialen Umfeld ist die Heranführung
an die Normen der Gesellschaft oberstes Gebot. Dabei wollen wir die
Teamfähigkeit, das Verantwortungsbewusstsein und die Integrationsbemühungen
fördern. Dies gilt sowohl für die hästragende Jugend als auch die tanzende
Jugend, die Musikjugend und den Nachwuchs im Büttenrednerbereich.
Ihnen die kulturellen Werte zu vermitteln und die Jugend als Erben
eines traditionsreichen Brauchtums in die Verantwortung zu stellen, ist eine
hehre Pflicht.
11. Kommerzialisierung
Fastnacht, Fasching und Karneval wollen als Traditionsgut und kulturelles Erbe
auch ein Bollwerk gegen die Kommerzialisierung sein. Die Beliebtheit unseres
Kulturgutes fordert in der heutigen Zeit außenstehende Profis heraus.
Die Verbesserung der Vereinsstrukturen im Rahmen unserer Möglichkeiten
als starke Gemeinschaft ist zwingend erforderlich. Dies führt zur Sicherstellung
gegenüber Versuchen, Fastnacht, Fasching und Karneval gegen die
Bestrebungen der Brauchtumsarbeit kommerziell
auszunutzen, zu missbrauchen oder umzugestalten.
Unter diesen Prämissen wollen wir alle, die Freude daran
haben, zum Mitmachen einladen. Der Bund Deutscher
Karneval e.V. versteht sich im positiven Sinne als Sachwalter,
Mahner, Bewahrer und Erneuerer des Brauchtums
Fastnacht, Fasching und Karneval.
BUND DEUTSCHER KARNEVAL e.V.
Die Ethik-Charta des Bundes Deutscher Karneval e.V. soll weder doktrinär sein noch Zwang ausüben, sondern die Position dieses größten Brauchtums-Verbandes
festschreiben. Die Fastnacht, der Fasching, der Karneval waren und sind geprägt von dem jeweiligen gesellschaftlichen Zeitgeist und nicht zuletzt von den
Menschen, die sie erst beleben. Die ersten Wurzeln stammen aus dem 12. Jahrhundert und dokumentieren einen Festkomplex christlicher Prägung.
Aachen, 30. August 2008
Die Ethik Charta als Download